

Foto: Satoshi Saikusa







10:13 Treffer und nur noch 20 Sekunden. Das ist der Stand in ihrem ersten Gefecht gegen die Italienerin Bianca Del Carreto. Was im Fechten in kürzester Zeit möglich ist, zeigt Britta Heidemann hier zum ersten Mal an diesem dramatischen Tag. Innerhalb von wenigen Sekunden greift sie drei Mal mutig an und gleicht aus. Wieder einmal, wie schon in der Qualifikation, ist das Ausscheiden zunächst abgewendet. Und bereits im ersten Gefecht steigt der Adrenalinspiegel auch bei den Zuschauern: „Sudden Death“, der nächste Treffer entscheidet das Gefecht. Heidemann greift wieder sofort an: Doppeltreffer. Im Degenfechten wird ein gleichzeitiger Treffer für beide Fechterinnen gezählt, also keine Entscheidung. Und auch bei der nächsten Aktion fällt ein Doppeltreffer. Erst der dritte Angriff bringt den Sieg für Britta Heidemann und den Einzug ins Achtelfinale.
Nach diesem furiosen Start steht in der Runde der letzten 16 die Weltmeisterin Li Na (China) auf der Planche. Heidemann siegt erneut mit einem Treffer Differenz (14:13). Eine Stunde später trifft sie im Viertelfinale auf die Tunesierin Sarra Besbes, zeigt erneut eine starke und konzentrierte Leistung und gewinnt beinahe schon 'souverän' mit 15:12 Treffern.
Das Halbfinale gegen die Koreanerin Shin A Lam wird in die Geschichte des Fechtsports eingehen und ist schon jetzt einer der herausragenden Momente von London 2012: kaum an Spannung zu überbieten, geht auch dieses Gefecht beim Stand von 5:5 in die letzte Minute. Britta Heidemann braucht einen Einzeltreffer, da sie bei der Auslosung des „Vorteils“ den Kürzeren zieht. Sollte kein Einzeltreffer in 60 Sekunden fallen, geht der Sieg automatisch an die Gegnerin. Sieben mal greift Heidemann an, sieben mal treffen beide Fechterinnen gleichzeitig. Dann kommt der Moment, der für Aufregung sorgt: auf der Anzeige verbleibt eine Sekunde Kampfzeit. Genauer ist die Anzeige für die Fechter und das Publikum nicht. Und die Zeitnehmer starten die Uhr, ohne dass das Gefecht gestartet wurde. Daher wird die Uhr erneut auf eine Sekunde Restkampfzeit gestellt. Für viele Zuschauer schwer nachvollziehbar, aber die Sekunde Kampfzeit bleibt natürlich. Eine winzige Chance, aber eine Chance. Und Britta Heidemann nutzt die Chance! Nach sieben Doppeltreffern setzt sie den entscheidenden Einzeltreffer und die Kampfrichterin zeigt den Siegtreffer an! So dramatisch kann eine Sekunde im Fechten sein. Heidemann und ihre Fans jubeln, Shin A Lam und ihre Fans sind fassungslos.
Sofort legt das koreanische Team Protest ein. Lange warten die Fechterinnen und Zuschauer auf eine Entscheidung des Kampfgerichtes, das die Entscheidung dann bestätigt. Britta Heidemann jubelt und verlässt die Halle. „Das war eine schwierige Situation für alle. Wir waren sehr angespannt und wussten nicht, was diskutiert wird. Das hat ewig gedauert“ berichtet Heidemann später. Aber das koreanische Team legt nun, dies sieht das Reglement auch vor, einen weiteren schriftlichen Protest ein. Es dauert erneut über eine halbe Stunde bis endgültig entschieden ist: Auch der schriftliche Protest ändert die Entscheidung nicht, der Treffer war innerhalb der Kampzeit gesetzt. Britta Heidemann steht nach 2008 auch 2012 im Finale der Olympischen Spiele und hat eine Medaille sicher!
Hier steht ihr die Ukrainerin Shemyakina gegenüber und es entwickelt sich erneut ein spannendes Gefecht. Britta Heidemann ficht offensiv, wenn auch nicht überstürzt. Und beinahe hat man schon damit gerechnet: auch das Finale geht beim Stand von 8:8 Treffern in die Zusatzminute und wird mit einem Treffer entschieden. Aber Heidemann gelingt der Treffer dieses Mal nicht. Olympiasiegerin 2012 wird Yana Shemyakina.
„Natürlich war ich nach dieser Niederlage enttäuscht. Ein Treffer fehlte zum erneuten Olympiasieg. Aber schon bei der Siegerehrung war ich doch sehr glücklich und stolz. Silber ist toll und fühlt sich wie ein Sieg an“ sagt Britta Heidemann noch am Abend eines langen und dramatischen Tages.
Am Samstag, 04.08., steht der Teamwettbewerb Damendegen auf dem Programm. Unter den acht qualifizierten Teams trifft die deutsche Equipe im Viertelfinale auf die starke chinesische Mannschaft. Dennoch ist Heidemann optimistisch: „Eine Medaille mit der Mannschaft ist möglich. Wir haben eine gute Chance!“